GfS vor Ort zur neuen EFRE-Förderperiode, dem Just Transition Fund und REACT-EU

Mehr strukturpolitische Spielräume als je zuvor! Das ist ein Fazit zahlreicher Teilnehmenden nach unserem Besuch im Landtag. Anlass der Zusammenkunft war die laufende Erarbeitung des Operationellen Programms EFRE NRW.

Auf Einladung von Bodo Middeldorf MdL, Sprecher für Strukturpolitik der FDP-Landtagsfraktion NRW, diskutierten wir mit Staatssekretär Christoph Dammermann im Landtag von Nordrhein-Westfalen über aktuelle Herausforderungen der Strukturpolitik, die insbesondere die Ausgestaltung der nächsten EFRE-Förderperiode betreffen.  Es berichteten seitens des MWIDE Herr Dr. Michael Henze und Frau Christel Caninenberg sowie als Referentin zur Innovationsstrategie Frau Dr. Silke Stahl-Rolf vom VDI Technologiezentrum GmbH .

Dem EFRE.NRW wird in den kommenden Jahren eine entscheidende Rolle zukommen. Nordrhein-Westfalen steht mit dem Ausstieg aus der Steinkohle- und Braunkohleförderung und dem damit verbundenen Strukturwandel vor einer enormen Herausforderung. Die Wirtschaft sieht sich in den nächsten Jahren mit massiven Transformationsprozessen konfrontiert. Bodo Middeldorf sieht die Hauptschwerpunkte der neuen EFRE-Periode daher in der Transformation des Energiesektors, im Bereich der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz sowie neuer Mobilitätsformen.

Herr Dammermann
Frau Dr. Stahl-Rolf

Der Maßstab bei der Verteilung der Gelder in NRW soll die Wirksamkeit sein. Dabei besteht die Überzeugung, dass Innovationsfähigkeit weiterhin der Treiber zukünftiger Entwicklungen sein wird; auch um soziale und ökologische Herausforderungen zu lösen. Für die angestrebte Klimaneutralität im Jahr 2050 muss bereits heute mit Maßnahmen begonnen werden. Parallele politische Strategien wie der Kohleausstieg und Ressort-Aktivitäten sollen integriert werden statt nebeneinander zu laufen.

Viele der vorgegebenen Prozess-Schritte bleiben im Vergleich zur laufenden Förderperiode erhalten, so dass die Neuerungen vor allem Konkretisierungen zur Umsetzung und angepasste Inhalte betreffen, die sich den drei EU-Zielen des intelligenten, grünen und bürgernäheren Europa unterordnen müssen.

Frau Caninenberg
Herr Dr. Henze

Einige Dilemmata verbleiben. Z.B. das Problem der nationalen Kofinanzierung der EU-Gelder infolge der zukünftig wahrscheinlich schrumpfenden Einnahmen öffentlicher Haushalte. Mit Aufrufen, Wettbeweben und indikatorgestützer Evaluation hat man einen hohen Qualitätsstandard erreicht, den man halten möchte. Solche Qualitäten erhöhen jedoch auch den Anteil der bereits hohen Transaktionskosten von Förderungen.

Jan-Philipp Kramer erörterte die EFRE-Evaluation und bestätigte u.a. den grundsätzlichen Erfolg der zurückliegenden Leitmarktaufrufe. Im Kontext der EU-Strukturfonds stellte er zudem den derzeitigen EU-Diskussionsstand zu dem Just Transition Fund (Klimaschutz) und REACT-EU (Corona) dar. Beide zusammen werden den Umfang der verfügbaren Strukturfördermitteln in einigen Regionen Deutschlands beträchtlich erhöhen.

Herr Dr. Kramer

Die Diskussion der über 20 Teilnehemenden rankte sich zunächst um die Frage, inwieweit Transaktionskosten und Wirksamkeit z.B. über die Projektgröße gesteuert werden könnten. Angesichts zukünftig wahrscheinlich wieder klammer öffentlicher Kassen besteht zudem die Sorge der Verwendung der EU-Gelder als Lückenbüsser für fehlende Haushalsmittel. Die schon jetzt spürbare Rivalität zwischen Regionen um die Fördergelder wird durch die Bevorteilung kleinräumig begrenzter Fördergebiete möglicherweise steigen. Angesichts der multiplen Förderangebote für ähnliche thematische Herausforderungen könnte sich zukünftig noch stärker als bislang der Bedarf für eine bessere Steuerbarkeit „aus einer Hand“ ergeben.

Herzlichen Dank den Referierenden und dem Team um Bodo Middeldorf, welches den Austausch organisatorisch und mit Moderation zu einer runden Sache gemacht hat !

Unser Thema: Stand der Ausrichtung der neuen EU-Förderperiode

Martin Hennicke startete mit einem Rückblick auf die EU-Strukturfonds.  Er kam u.a. zu der Einschätzung, dass das Kernziel der Kohäsion bis heute nicht erreicht wurde. Disparitäten sowohl zwischen den EU-Mitgliedsstaaten als auch in NRW, insbesondere im Ruhrgebiet, sind kaum messbar abgebaut worden. Seit jeher werden die Mittel durch die Länder verwaltet, die sie als eine Art „Ersatzhaushalt“ ansehen mit einem viel zu breiten wenig zielführendem Mitteleinsatz. Positiv zu werten sei jedoch der EU-Anspruch gegenüber den Mitgliedstaaten,  ihre Förderstrategien aus Analysen abzuleiten. Das habe es in Deutschland vorher so nicht gegeben.

Vor diesen Hintergründen hatte eine GFS-Arbeitsgruppe letztes Jahr ein Positionspapier erstellt. Dessen Kernforderung der thematischen Konzentration der Gelder erscheint vor dem Hintergrund multipler Ressorts auf EU-Ebene genauso wie in NRW wenig durchsetzbar.

Der neue EU-Haushalt wird gemäss der Kommissionsvorschläge im Mai infolge des Brexit niedriger ausfallen. Die auf Deutschland entfallenden Strukturfondsmittel werden wahrscheinlich um etwa ein Fünftel gekürzt. In den meisten deutschen Regionen werden sich die EU-Fördersätze wahrscheinlich von 50 % auf nur noch 40 % reduzieren. Ein Regelwerk für alle Fonds könnte u.a. einen Single Audit vorsehen, bei dem nur noch eine Prüfinstanz z. B. auf der Ebene der Mitgliedstaaten verantwortlich wäre (größere Rechtssicherheit). Die Strukturfonds würden sich inhaltlich auf fünf Ziele ausrichten.

Dieter Rehfeld ergänzte einige Trends bei der Erarbeitung des künftigen Forschungsrahmenprogramms „Horizon Europe“. Erkennbar ist, dass die Leitgedanken „Transition“ und „Missionsorientierte Innovationspolitik“ eine zentrale Rolle spielen werden. In diesem Zusammenhang stehen auch Änderungen wie die Ausweitung der Förderberechtigten wie gemeinwirtschaftliche oder Sozialunternehmen an. Weiterhin wird in den künftigen Projekten noch mehr Wert auf die Auswirkungen (Impact), auf die Veröffentlichung und breite Diffusion der Ergebnisse (Open Science), auf Bürgerbeteiligung (Responsible Research and Innovation) sowie auf die Nutzung der Ergebnisse in anderen Förderprogrammen gelegt werden.

Diese Veränderungen führen dazu, die bisherigen Innovationsstrategien auch in NRW zu überdenken. So wäre eine Hinwendung zu einer stärker nachfrageorientierten Innovationspolitik anstelle vieler kleinteiliger Innovationsvorhaben sinnvoll. Mit einer Missions-Orientierung könnte man eigene Schwerpunkte z.B. im Rahmen einer stärkeren Regionalisierung innerhalb von NRW setzen; dies wäre instrumentell  etwa mit den bisher in NRW nicht genutzten Integrierten territorialen Investitionen (ITI) zu unterfüttern.

Die neun Teilnehmenden diskutierten am 18. September 2018 im  Unperfekthaus Essen u. a. was die kommenden Änderungen für das Ausgleichs- und Wachstumsziel bedeuten und ob eine Harmonisierung der Regelungen noch eine ungleiche Behandlung ungleicher Dinge ermöglicht. Vor dem aktuellen Hintergrund der Umbrüche im Energiesektor (u. a. Strukturkommission Kohle zum Kohle-Ausstieg, Elektromobilität) wurde der Gedanke einer Konzentration der Gelder in NRW auf die Energiewende kontrovers erörtert.

Frühjahrstagung 2013: Entwicklung und Perspektiven der Strukturpolitik

  1. Programm des Frühjahrstreffens der Gesellschaft für Strukturpolitik zum Thema „Entwicklung und Perspektiven der Strukturpolitik“:
  • Entwicklung und Perspektiven der regionalen Strukturpolitik (Professor Dietrich Fürst)
  • Regionalisierte Strukturpolitik, Cluster – und jetzt? Fragen eines lesenden Gewerkschafters (Achim Vanselow, DGB NRW, Abteilungsleiter Wirtschafts-, Struktur- und Technologiepolitik)
  • Diskussion
  • Regionalentwicklung: Sachstand in NRW (Reimar Molitor, GfS)

Tagungsort: DGB-Bildungswerk, Tagungszentrum Hattingen, Am Homberg 44-50,  45529 Hattingen