GfS digital vernetzt: zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf den Strukturwandel

Die Corona-Pandemie beschleunigt den Strukturwandel. Nicht nur bei GfS, die sich am 24. Juni nun schon zum zweiten Mal mit 15 Teilnehmenden erfolgreich online statt im Stammlokal traf. Sondern auch in vielen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft. Eine Erkenntnis, die sich wie ein roter Faden durch den Abend zog.

Stefan Gärtner stellte in seiner Einführung fest, dass der Fokus strukturpolitischer Maßnahmen von den direkt betroffenen Beschäftigten (Kurzarbeitergeld für Kultur, Handel, …) nun verlagert wird auf Nachfrageeffekte z.B. in Branchen wie der Automobilindustrie. Räumliche Auswirkungen werden insbesondere in den Innenstädten sichtbar; u.a. aufgrund des beschleunigten Kaufkraftverlusts zugunsten des Online-Handels.

Martin Hennicke ergänzte, dass auffällig häufig die bereits Schwachen besonders hart getroffen werden. Z.B. berufstätige Eltern, die keine Kinderbetreuung sicherstellen konnten. Und überschuldete Kommunen, die den gewachsenen Anforderungen z.B. an die Digitalisierung weniger gerecht werden können als solche Kommunen, die in der Vergangenheit bereits über ausreichende Mittel zur Digitalisierung verfügten .

Bodo Middeldorf prognostizierte einen zukünftig erstarkenden Wettbewerb um Investitionsmittel. Es stellt sich die Frage, ob man Strukturen mit struktupolitischen Mitteln bewahren oder in die Zukunft führen möchte. Dem entsprechend besteht die Wahl zwischen Konjunktur-, Investitions- und Strukturhilfen wie z.B. Innovationsprogramme.

In der anschließenden Diskussion positionierten sich die Teilnehmenden dem entsprechend mit unterschiedlichen Blickwinkeln. Dies verdeutlichte die besonders ausführliche Erörterung der zurückliegenden Entscheidung der Bundesregierung gegen Kaufprämien für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. So bedauerten Teilnehmende, dass das Thema Klimaschutz statt der Sicherung der Beschäftigung den Ausschlag gegeben hat. Die bescheidenen Effekte der klimaorientierten Förderung von E-Mobilität und Forschung (StreetScooter, e.GO, Batterieforschung) würden keinen Optimismus in der Automobilbranche verbreiten. Andere Teilnehmende sahen die Probleme der heimischen Automobilindustrie weniger als Folge der Corona-Pandemie, sondern als Resultat einer unzureichenden Anpassungsfähigkeit an den internationalen Wettbewerb angesichts der steigenden Nachfrage nach alternativen Antrieben. Eine Kaufprämie hätte dieses Problem nicht gelöst, sondern die Anreize zum Aufholprozess reduziert.

Weniger polarisiert wurden Ideen für strukturpolitische Maßnahmen in anderen Bereichen erörtert. Dies umfasste Themen wie die Wasserstoff-Wirtschaft, Bildung und Digitalisierung, Fleischindustrie, Brachflächenreaktivierung und Nachverdichtung im Gewerbebereich.

GfS vor Ort: Zirkuläre Wirtschaft

Der Begriff der „Kreislaufwirtschaft“ verkürzt den Kreislaufgedanken allein auf den Aspekt der Abfallvermeidung. Darüber hinausgehende Vorteile vieler kreislauforientierter Produkte und Geschäftsmodelle werden international unter den Begriffen „Circular Economy“ und „Cradle to Cradle“ seit ein paar Jahren diskutiert.

Reinhold Rünker, ständiger Vertreter der Abteilungsleitung  Wirtschaftspolitik im NRW-Wirtschaftsministerium, stellte am 12. April ein darauf aufbauendes industriepolitisches Innovationskonzept vor, das produktorientiert als „Zirkuläre Wertschöpfung“ bezeichnet wird (PDF-Download der Präsentation). Dies zielt insbesondere auf einen höheren qualitativen Anspruch an die Produkte  ab wie z.B. neue Funktionen oder eine längere Lebensdauer damit der Spagat zwischen den Zielen des wirtschaftlichen Wachstums, des gesellschaftlichen Wohlstands und der nur begrenzt verfügbaren Ressourcen gelingen kann. Verwendete Werkstoffe sollen am Ende des Produktzyklus wieder in neue Produktionsprozesse eingebracht werden können. Das erfordert neue Designanforderungen, neue Werkstoffe und Produktionsverfahren, die durch die disruptiven Technologien wie Digitalisierung oder Additive Fertigung unterstützt werden.

Die kurze Darstellung einzelner Projekt- und Produktbeispiele (s. u.a.  Potenzialanalyse einer zirkulären Wertschöpfung im Land Nordrhein – Westfalen ; PDF-Download von www.wirtschaft.nrw) leitete zur Diskussion über. Die elf Teilnehmenden im Haus des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes NRW erörterten insbesondere die Frage, ob hier ein Marktversagen vorliegt. Und falls ja, ob der Staat eher durch Anreizsysteme wie Förderungen, durch die Berücksichtigung bei eigenen Auftragsvergaben oder nur durch gesetzliche Regulierungen einen Fortschritt erreichen kann. Deutlich wurde, dass nicht alle Produkte gleichermaßen für die zirkuläre Wertschöpfung geeignet erscheinen.

Wie geht es in NRW weiter? Wenn alles gut läuft, wird mit Landesförderung ein regionales Kompetenzzentrum zur zirkulären Wertschöpfung in Bottrop aufgebaut. Dort untersucht die Hochschule Ruhr-West derzeit, wie man die mittelständische Wirtschaft in NRW unterstützen kann, Produkte, Verfahren und ganze Wertschöpfungsketten umzugestalten.

Frühjahrstagung 2018: Gleichwertige Lebensbedingungen, endogene Potenziale und bürgerschaftliches Engagement. Was muss der Staat (noch) leisten?

Am 19. Januar fanden das Frühjahrstreffen und am 20. Januar die 11. GfS-Mitgliederversammlung statt.  Rund 30 Teilnehmende und Referenten kamen in der Silvio Gesell Tagungsstätte in Wuppertal zusammen und nutzten die Gelegenheit, sich mit dem Thema in Vorträgen und Diskussionen aus der jeweils individuellen beruflichen Perspektive auseinanderzusetzen.

Hier geht es zum Programm (PDF).

Impressionen

Frühjahrstagung:

Mitgliederversammlung:

Unser Thema: Responsible Research and lnnovation

Responsible Research and Innovation (RRI) beschreibt einen Forschungs- und Innovationsprozess, der die potenziellen Effekte auf Umwelt und Gesellschaft mit berücksichtigt. Dieter Rehfeld gab am 20. September 2017 im Essener Unperfekthaus einen Einblick in den Ansatz, der in das Europäische Forschungsrahmenprogramm (Horizont 2020) Einzug gefunden hat.