GfS digital vernetzt: zum Thema „Transformationen in Duisburg – wohin entwickelt sich der Stahlstandort?“

Elmar te Wildt begrüßte am 27. Mai wie gewohnt zunächst die Teilnehmenden im Format GfS digital vernetzt. Und darüber hinaus ganz besonders Duisburg als Thema, das für ihn persönlich und beruflich einen wichtigen Wegpunkt darstellt. Dr. Rasmus Beck vermittelte ebenfalls positive Eindrücke: Zu den jüngsten Entwicklungstrends des Duisburger Wirtschaftsstandorts und zu seinem damit verbundenen persönlichen Wegziel: die Wirtschaftsförderung innerhalb der nächsten vier Jahre neu aufzustellen. Das Motto „Raus aus dem Reparaturbetrieb“ wird mit einem starken Personalaufbau und einer engeren Kooperation mit dem Konzern Stadt einher gehen. Einige herausragende Maßnahmen stellte er ausführlich vor.

Von hoher Bedeutung für die Wirtschaft in Duisburg ist das Stahlunternehmen thyssenkrupp, welches sich mit einer Konzentration auf die Stahlsparte zukünftig noch stärker als früher an das Kernprodukt bindet. Die Zukunft des Stahlstandortes hängt auch von der Fähigkeit ab, den wachsenden Bedarf für klimaneutrale Produkte zu decken. Dies verdeutlicht die in diesem Bereich angekündigte Zusammenarbeit zwischen Mercedes und einem schwedischen Stahl-Hersteller. Wasserstoff wird ein essentieller Energieträger in der Stahlproduktion werden. In einer Übergangsphase könnte eine Groß-Elektrolyse den wachsenden Bedarf in Form von Beifeuerung ergänzend zur Kohle decken, bis neu gebaute Hochöfen komplett mit Wasserstoff betrieben werden. Die Voraussetzungen sind günstig: u.a. infolge einer Vereinsgründung und einer räumlichen Schnittstelle in einem zukünftig geplanten neuen Pipelinesytem, welches im Rotterdamer Hafen starten soll.

Am Standort Wedau entsteht aktuell das größte Städtebauprojekt in NRW, dessen Nukleus ein Hochschulneubau mit umliegenden Gewerbeflächen/Technologiepark und hochwertigem Wohnbauflächen (6-Seen-Wedau) sein soll. Ein weiteres Städtebauprojekt „Duisburger Dünen“ wird Wohnnutzungen und Dienstleistungen nahe der Innenstadt kombinieren.

die GfS trifft sich mal wieder klimaschonend online

In der folgenden Diskussion wird durch die Teilnehmenden angeregt, ergänzend zur Darstellung der wirtschaftlichen Ausgangslage auch einen Blick auf die soziale und demographische Ausgangslage zu richten. Dies betrifft u.a. die im Ruhrgebiet typische Fokussierung der hochwertigen städtebaulichen Neubau-Projekte in den südlichen Stadtteilen, während zeitgleich nach wie vor Rückbau-Aktivitäten erfolgen müssen. Trotz des Zweifels, den Düsseldorfer Wohnungsmarkt nach Duisburg auszudehnen, kommentierten viele Teilnehmenden die Parallelen zur Entwicklung des Phoenix-Sees in Dortmund und werteten die hohen Immobilienpreise an anderen Standorten als günstigen Zeitpunkt. Anstelle einer systematischen Stadtentwicklungsstrategie bestünden viele Strategien für einzelne Standorte. Dies sei jedoch auch den räumlichen Rahmenbedingungen, wie z.B. den sich trennenden Industrieflächen geschuldet.

In dem Zusammenhang positiv beurteilt wurde, dass mit thyssenkrupp ein wichtiger Arbeitsplatzschwerpunkt im Nordteil der Stadt besteht. Dort würden große Mengen an Wasserstoff nötig sein, um den Systemwechsel zu leisten. Der derzeit hohe Marktpreis für Stahl bedeutet jedoch noch keinen hohen Handlungsdruck zur Umstellung. Die Standortbedingungen zur Investition wären global betrachtet zudem an Wasserstoff-affineren Standorten (Solarstrom-Elektrolyse) günstiger. Aus nationaler Perspektive sei an altindustriellen Standorten wie Duisburg das Potenzial für eine günstige Wasserstoffversorgung infolge der bestehenden Gastransportnetze mit Umrüstungspotenzial am höchsten. Uneinig waren die Sichtweisen darüber, inwiefern eine Stützung des Unternehmens selbst zur Sicherung des Standortes angemessen sein könnte. Die IG Metall habe Transformationsfonds zur temporären staatlichen Beteiligung an Unternehmen in einer Transformationsphase angeregt. Dies sei eine bereits praktizierte Alternative zur klassischen Förderung: Das Land Niedersachsen und das Saarland seien an dortigen Stahlunternehmen beteiligt.

Die andernorts mit einem negativen Image behaftete Logistikbranche ist für den Duisburger Arbeitsmarkt ein Erfolgsfaktor u.a. mit dem Hafen und einem Endpunkt der sog. neuen Seidenstraße (Bahnverbindung nach China). Ein neuer Trend bestehe darin, dass einfache Logistik zunehmend von „wertschöpfungsintensiver“ Logistik ersetzt wird, für die es eigene Geschäftsmodelle gibt. Das betrifft die gewerbliche Mobilität genauso wie Smart-City-Angebote.

GfS digital vernetzt: zum Ende der Steinkohleverstromung

Derzeit startet der größte regionale Strukturwandelprozess seit der Wiedervereinigung. Rund 40 Mrd. € Förderung vor allem für die Braunkohle-Reviere dienen der Bewältigung der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Folgen des politisch besschlossenen Kohle-Ausstiegs bis 2038. Das dazu bald erwartete Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen sieht infolge von Nachverhandlungen auch Hilfen für strukturschwache Standorte von Steinkohlekraftwerken vor. Dies betrifft in NRW 5 Kraftwerksstandorte in Hamm, Herne, Gelsenkirchen, Duisburg und dem Kreis Unna. Für deren Umfeld werden über 600 Mio. € bereit stehen.

Rasmus Beck und Börje Wichert vom Projektbüro Fünf-Standorte der Business Metropole Ruhr GmbH erläuterten den Stand der Vorbereitungen im Ruhrgebiet. Derzeitiger Schwerpunkt ist die Erarbeitung bzw. Konkretisierung eines Handlungskonzeptes mit bislang 4 Handlungsfeldern:

  • Flächenentwicklung
  • Mobilität & Infrastruktur
  • Energie & Klimaschutz
  • Innovation & Bildung

Der Strategieprozess sieht nun vertiefende Online-Handlungsfeld-Workshops vor. Parallel wird zudem eine Organisationsstruktur zur Projekteinbringung und -Auswahl eingeführt. Hierbei kann eine neue wirtschaftswissenschaftliche Indikatorik zu den erzielbaren Effekten der Projekte, erstellt durch das RWI, beitragen.

16 Teilnehmende fanden sich am am 29. April 2020 erstmals zum neuen digitalen Austausch-Format der GfS zusammen. Diskutiert wurden z.B. die Erfahrungen mit vergleichbaren Beteiligungsprozessen (u.a. Ruhrkonferenz) und die Interaktion der Beteiligten auf Bundes- und Landesebene sowie die Aktiviäten in weiteren Kohleregionen wie dem Rheinischen Revier.

Unser Thema: Bochum-Strategie 2030

Dr. Lars Tata vom Referat des Oberbürgermeisters für gesamtstädtische Angelegenheiten der Stadt Bochum ermöglichte uns am 12. November 2019 im Essener Unperfekthaus den Einblick in den aktuellen Stand der Bochum-Strategie.

Dabei handelt es sich um eine langfristig (bis 2030) und thematisch breit aufgestellte Strategie mit „Change-Anspruch“. Die Stadtverwaltung als Absender verfolgt damit die Intention einer Steigerung der Lebensqualität aller Bürgerinnen und Bürger. Die Stadt setzt dabei auf eine Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und den Faktor „Wissen“ als Motor der Stadtentwicklung. Ein wichtiger erster Meilenstein im Jahr 2017 waren ein Stakeholder-Workshop mit relevanten Entscheidungsträgern und Multiplikatoren sowie eine Bürgerkonferenz mit 300 durch das Amt für Statistik zufällig ausgewählten geladenen Bürgern, deren Geschlecht, Herkunft, Wohnort im Stadtgebiet und Alter einen Querschnitt der Gesellschaft darstellen. 2018 folgten ein Markt der Ideen als mehrtägiges Messeformat im Rathaus mit Veranstaltungen sowie eine zweite Bürgerkonferenz zum Thema Quartier und ein weitere Stakeholder-Veranstaltung. Die verschiedenen Beteiligungsformate führten zu rd. 1.200 steckbriefartigen Projektideen für mögliche Kernaktivitäten im Rahmen der Bochum Strategie (s.u.). Ein unmittelbares Ergebnis des Prozesses war die Einführung einer Stelle für Ideenmanagment in der Stadtverwaltung. Zukünftig soll der Kreis der Stakeholder z.B. um Vereine und Stadtteilinitiativen erweitert werden.
2019 folgte eine dritte Bürgerkonferenz.

Die im Juni 2017 als Erstauflage veröffentlichte Broschüre „Die Bochum Strategie 2030“ enthält ein Zielystem mit 5 Kompetenzen um einen Wesenskern aus „Wissen – Wandel – Wir-Gefühl“ (s. Beitragsbild oder Download unter https://www.bochum.de/Die-Bochum-Strategie). Diesen werden die wichtigsten Projektideen als „Kernaktivitäten“ zugeordnet, von denen 50 bereits zur Umsetzung beschlossen sind. Einzelne Schwerpunkte (z.B. Hochkultur der Spitzenklasse) sind noch nicht mit Kernaktivitäten hinterlegt. Zurzeit wird – neben der Umsetzung der Kernaktivitäten – daran gearbeitet, die Bochum Strategie mit den ihr hinterlegten Prozessen weiter zu verbessern. Dazu sind Arbeitsgruppen u.a. zum Controlling, zur Kommunikation und zur Verknüpfung der Bochum Strategie mit Fachkonzepten und Querschnittszielen der Stadtverwaltung eingerichtet.

Catherine Gregori und Frank Osterhoff konkretisierten diesen Einstieg mit persönlichen Beispielen. Wie gewohnt erörterten die elf Teilnehmenden die Besonderheiten der Bochum-Strategie von vielen Seiten. So z.B. die Fragen nach der Messbarkeit der Ziele (erstes Meilenstein-Monitoring gestartet), dem Umgang mit dem großen Ideenpool (u.a. Stelle für Ideenmanagement), der Beiteiligungsbereitschaft und -kompetenz der Bürger (gute Erfahrungen mit Vielfalt), der Einbindung der Wirtschaft (z.B. im Rahmen der Projekte), dem Rückhalt in der Politik (Abstimmung über Kernaktivitäten im Rat, aktive Mitarbeit im Beirat), der Bedeutung für die regionale Entwicklung (kleinräumige Kooperationen z.B. über Projekte denkbar), der Erklärungsbedürftigkeit einer komplexen Strategie (zielgruppenorientierte Moderation der Veranstaltungen, Marketingkonzept u.a. mit Corporate Identity) und den Unterschieden zu weiteren bekannten städtischen Entwicklungsstrategien (dortmund project, Mannheim Wandel im Quadrat, IBA Heidelberg).

Unser herzlicher Dank gilt dem Referenten Dr. Lars Tata für den Einblick und die Bereitschaft zur Diskussion als auch für die freundliche Genehmigung des Beitrag- Bildes!

Mitglieder-Themenpapier: Gerechter Wandel für Generationen und Regionen

Ein externer thematischer Beitrag unter Beteiligung unseres Mitglieds Stefan Gärtner zu dem in der GfS regelmäßig diskutierten Thema des Strukturwandels im Ruhrgebiet:

Elke Dahlbeck, Dr. Stefan Gärtner (2019): Gerechter Wandel für Generationen und Regionen – Erfahrungen aus dem Strukturwandel im Ruhrgebiet; eine Forschungsstudie im Auftrag des WWF Deutschland vom IAT (Hinweis: Downloadangebot von wwf.de)