Am 22. Februar 2023 empfing uns Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der EMSCHERGENOSSENSCHAFT und des LIPPEVERBANDS. Herzlichen Dank für den Input und die Bereitschaft zur Diskussion!
GfS vor Ort zum Thema „Die Transformation von Wirtschaft und Arbeit: Beratung, Qualifizierung und Weiterbildung als Gelingensfaktoren“
Am 8. Juni durften wir im Gebäude des Deutschen Gewerkschaftsbundes NRW in Düsseldorf zu Gast sein. Es ging um die Erfordernisse der betrieblichen Beteiligung und der Begleitung in Umbruchphasen, den Schlüsselfaktoren Weiterbildung und Qualifizierung sowie Konzepte und Maßnahmen der Gewerkschaften.
Die Themen und Anforderungen zur Gestaltung der Transformation in den Betrieben und Regionen sind vielfältig und herausfordernd zugleich. Das Spektrum reicht von den Bestrebungen um eine klimaneutrale Produktion bei gleichzeitiger Versorgungsicherheit, der Digitalisierung, des demographischen Wandels und der Neuordnung von Lieferketten. Das betriebliche Know-how und die Einbindung der Beschäftigten sind zentrale Schlüsselfaktoren für die Transformation in Richtung einer zukunftsfähigen Wirtschaft und Gute Arbeit.
Jörg Weingarten (Download PDF-Präsentation hier) von der Abteilung Industrie- und Strukturpolitik, Digitalisierung des DGB-Bezirks NRW ging nach einer Übersicht über die Organisationsstruktur des DGB auf die vier Trends der Transformation ein: Dekarbonisierung, Deglobalisierung, Digitalisierung und Demografie. Jahrzehntelang etablierte Beratungsangebote des Landes wie die Potenzialberatung für Geschäftsleitungen, Betriebsräte und Belegschaften in KMU wurden weiterentwickelt und starten dieser Sommer. Auch die Technologieberatungsstelle beim DGB NRW (TBS NRW e.V.) hat über das EU-REACT Förderprogramm ein Beratungsangebot für Betriebsräte entwickelt, etwa mit einem Zukunftsradar und der Ableitung von Handlungsplänen für Zukunftsszenarien.
Achim Vanselow (Download PDF-Präsentation hier) ist seit Januar 2020 bei der IG Metall NRW für die Themen Industrie- und Strukturpolitik zuständig. Er begrüßte, dass der Berliner Koalitionsvertrag den Engpassfaktor Fachkräfte aufgreift. Befragungen von Betriebsräten der IG Metall belegen klar, dass transformationsbedingt zwar die Anforderungen an Beschäftigte steigen, aber nur rund die Hälfte der Unternehmen eine erkennbare Strategie zur zukünftigen Personalplanung und -entwicklung hat. Ein Ansatzpunkt zur Unterstützung von Unternehmen ist die tarifvertraglich vereinbarte Transformationsagentur der Metall- und Elektroindustrie. Neben der Tarifpolitk bearbeitet die IG Metall Herausforderungen der Transformation in Eigen- und Verbundprojekten. Beispielhaft ging er auf einzelne Projekte ein: Die Ausbildung von Weiterbildungsmentor*innen stärkt die Selbsthilfe in den Unternehmen. Das Projekt Arbeit 2020+ trug bis Ende 2021 zur sozialpartnerschaftlichen Gestaltung im Betrieb bei. Ein Werkzeug dafür sind Statusanalysen in Form von Betriebslandkarten zur Transformation und Qualifizierung. Dass Strukturwandel regional unterschiedlich angegangen werden muss, verdeutlicht der im Aufbau befindlichen regionalen Transformationsnetzwerke der Fahrzeugindustrie, in denen alle relevanten Stakeholder einer Region zusammenkommen sollen.
In der anschließenden Diskussion wurde die Nachhaltigkeit von Projektaktivitäten hinterfragt, da sie zum einen von Förderung abhängig sind und zum anderen erst spät im Nachhinein in ihren Wirkungen beweisbar werden. Ein selbsttragendes Geschäftsmodell erscheint oft aussichtslos. Perspektivisch werden sich auch die Gewerkschaften selbst vor dem Hintergrund der Transformation von Wirtschaft und Arbeit verändern müssen, wenn sie eine gestaltende Kraft bleiben wollen. Dieser Veränderungsprozess ist in Teilen schon eingeleitet (Projekt „Vom Betrieb aus denken“ der IG Metall) und beinhaltet u.a. eine deutlich stärkere Rolle des ehrenamtlichen Engagements und betrieblicher Akteure vor Ort. Als Erfolg politischer Lobbyarbeit der Gewerkschaften ist zu werten, dass beim Land NRW die Themen Arbeitsplatzrelevanz (neue und gesicherte Arbeitsplätze), Gute Arbeit bzw. tarifgebundene Arbeitsplätze in der Indikatorik für die Bewertung von Projektanträgen im Rheinischen Revier und das 5-Standorte Programm im Ruhrgebiet verankert wurden.
GfS vor Ort am 17. November in Köln zum Thema „Die internationale Bau- und Technologieausstellung Rheinisches Revier – ein innovatives Instrument der Struktur- und Regionalentwicklung“
Mit Input von Reimar Molitor, Region Köln/Bonn e.V.
GfS-Jahrestagung 2021 im Rheinischen Revier am 3. / 4. September
Seit der Gründung der Zukunftsagentur Rheinisches Revier vor 10 Jahren bereitet sich die größte Braunkohleregion in Deutschland auf das klimabedingte Ende des Braunkohleabbaus vor.
Seit etwa 2 Jahren ist mit dem „Strukturstärkungsgesetz“ des Bundes der Wandel in den vier Braunkohleregionen Deutschlands faktisch zur nationalen Aufgabe mit einer Finanzierungsbasis von 40 Mrd. € bis spätestens 2036 gemacht worden. Grundlage hierfür waren die gemeinsamen Empfehlungen der Kohlekommission von 2019, einem Gremium aus Vertreterinnen und Vertretern der betroffenen Kohleregionen, des Bundestags, der Wirtschaft, der Gewerkschaften, der Wissenschaft, der Umweltverbände und der Arbeitsverwaltung. Deutschland vollzieht damit nahezu gleichzeitig den Ausstieg aus Atomkraft und Kohle.
Diese Kohlekommission hat nicht nur einen klima- und energiepolitischen Ausstiegspfad, sondern auch weitreichende Grundsätze für eine Strukturentwicklungsstrategie in den betroffenen Regionen formuliert. Zwei Jahre später ist es für eine Zwischenbilanz dieses grundlegenden Wandels vielleicht noch zu früh, aber der richtige Zeitpunkt, um zu fragen, wie das Rheinische Revier in diesen riesigen Transformationsprozess gestartet ist.
Den Auftakt unserer Jahrestagung bildete eine Exkursion zum Faktor X-Haus in Inden, bei der das Projekt „Ressourcenschonendes Bauen“ und die Faktor X-Agentur durch deren Leiter Klaus Dosch vorgestellt wurden.
19 Teilnehmende fanden im Anschluss im Dorint Hotel Düren zusammen, wo Alexandra Landsberg zunächst den Aufbau der Strukturförderungs-Architektur im föderalen Mehrebenensystem erläuterte. Dieser ist noch nicht ganz vollendet; derzeit werden die Abstimmungsprozesse zwischen Bundes- und Landesverwaltung zur Verständigung über geeignete Förderzugänge erprobt.
Klaus Dosch Alexandra Landsberg Dr. Martin Mertens Achim Vanseloh Katja Witte
Dr. Martin Mertens, Bürgermeister der Gemeinde Rommerskirchen, ergänzte diese Darstellungen aus kommunaler Perspektive. Zwar konnte der Einfluss der Kommunen in den Gremien der Zukunftsagentur mit der Etablierung einer Anrainerkonferenz und Stimmrechten im Aufsichtsrat erfolgreich gestärkt werden, jedoch stellen die Förder- und Planungsverfahren eine hohe zeitliche und personelle Herausforderung für Kommunen dar.
Achim Vanselow stellte aus gewerkschaftlicher Sicht die besondere Betroffenheit der Zulieferbetriebe von RWE fest, da die anstehende Transformation dort größere Nachteile für die Beschäftigten erwarten lässt als bei einem transformationserprobten Konzern. Einige frühere Beispiele für innovationsorientierte Förderungen neuer Geschäftsmodelle konnten kaum nennenswerte Arbeitsplatzeffekte auslösen; daher besteht die Erwartungshaltung, zukünftig vermehrt „strukturprägende“ Bestandsunternehmen zu adressieren.
Katja Witte vom Wuppertal Institut stellte die These auf, dass die Bedeutung der Kulturveränderung im Verhältnis zur Technologieänderung noch unterschätzt werde. Partizipation sei wichtig, insbesondere mit Landwirten und Kommunen. Derzeit gebe es jedoch noch keinen konzeptionellen Überlegungsansatz, wie man soziale und ökonomische Effekte der Projekte „übersetzen“ kann. Dabei führte sie einige Projektbeispiele auf wie z.B. die Wasserstofftankstelle „Green Energy Hub“ am Autobahnkreuz Jackerrath oder den Innovationspark erneuerbare Energien in Jüchen mit seinem ganzheitlichen Ansatz .
Am Abend moderierte Elmar te Wildt wieder einmal durch die GfS- Mitgliederversammlung, die auch die Erörterung unserer Themen für das kommende Jahr umfasste.
Nomo Braun Bodo Middeldorf Martin Hennecke und Elmar te Wildt
Nomo Braun rundete die Vortragsreihe am Samstagvormittag mit der Darstellung von zwei Projektbeispielen ab. Bei der Umnutzung der im nächsten Jahr schließenden Brikettfabrik in Frechen sollen industrielle und logistische Nutzungen erhalten bleiben und dabei grüne Infrastrukturen (z.B. Entsiegelung) und erneuerbare Energieversorgung mitgedacht werden. Eine Machbarkeitsstudie „Hybrid Campus Euskirchen“ soll die Themen Bildung und Gewerbeentwicklung miteinander verbinden.
Bodo Middeldorf führte im Anschluss vor Augen, dass der Braunkohlenstrukturwandel im Rheinischen Revier mit rd. 1,5 Mrd. Tonnen CO2 -Einsparung das größte europäsche Klimaschutzprojekt darstellt. Die Bereitschaft der Bürger zu dem eher von außen herangetragenen Wandel sei hoch; dies repräsentiert die einstimmige Zustimmung von rund 60 herausragenden Vertretenden der Region zum Wirtschafts- und Strukturprogramm der Zukunftsagentur. Jedoch werden die bestehenden Strukturen einschließlich des Tagebaubetreibers keineswegs so kritisch eingeschätzt, wie es der Blick von außen erwarten lässt. Es gilt, die Entscheidungen so verträglich wie möglich umzusetzen. In der Startphase dienten Projekte von Forschungseinrichtungen der frühzeitigen Realisierung von Vorhaben. Im Vordergrund der nächsten Jahre müssen nun wirtschaftsnähere Vorhaben rücken. Gute Projekte entstehen zudem auf kommunaler Ebene, welche durch die Einrichtung von Strukturwandelmanagement-Stellen gestärkt werden soll. Der Effekt von 15 Mrd. Euro auf 17 Jahre Laufzeit solle jedoch nicht überschätzt werden, weil man wegbrechende Aufträgen jährlich ih Höhe von rd. 500 Mio. der 800 Mio. Auftragsvolumen von RWE bis 2030 gegenüberstellen muss. Die Zukunftsagentur wird sich daher nach einer Aufbauphase darauf konzentrieren, den Ideengebern bei der Entwicklung ihrer äußerst koplexen Projekte zu helfen und mit möglichst vielen Einrichtungen zusammenzuarbeiten.
Die Teilnehmenden diskutierten insbesondere die hohe Erwartungshaltung an Beschäftigungseffekte, die Evaluation der Effekte, Möglichkeiten der Planungsbeschleunigung sowie die Herausforderung der Flächenknappheit im Nutzungskonflikt zwischen Umweltschutz und wirtschaftlicher Entwicklung. Einigkeit bestand darin, dass die Prozesse und erreichten Zwischenergebnisse intensiver und verständlicher an die Bürgerschaft adressiert werden müssen, um den ansonsten schwindenden Rückhalt zum Kohleausstieg zu kompensieren. Hierzu könnte langfristig auch das weiterentwickelte IBA-Format „Internationale Bau- und Technologieausstellung“ eine Rolle spielen. Kritisch wurden die bislang kaum konkretisierten Forderungen einer Sonderwirtschaftszone hinterfragt, da bekannte Instrumentarien wie z.B. die Treuhandgesellschaft bei der Auflösung der DDR in diesem Fall unpassend erscheinen.
Zwischen den Vorträgen moderierte an beiden Tagen Martin Hennicke. Er gab den Handelnden die Empfehlungen auf den Weg, ihre Erwartungen an die kommenden Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene vorab zu formulieren und die Kommunikation der Erfolge über die Förderung hinaus auch auf solche Ergebnisse zu erweitern, die durch Dritte erreicht werden.
An beiden Tagen gab es wie üblich wieder viel Raum für Diskussion und zum Netzwerken. Herzlichen Dank an die Referentinnen und Referenten für die gewährten Einblicke und die Bereitschaft zum intensiven Austausch!
GfS vor Ort zur neuen EFRE-Förderperiode, dem Just Transition Fund und REACT-EU
Mehr strukturpolitische Spielräume als je zuvor! Das ist ein Fazit zahlreicher Teilnehmenden nach unserem Besuch im Landtag. Anlass der Zusammenkunft war die laufende Erarbeitung des Operationellen Programms EFRE NRW.
Auf Einladung von Bodo Middeldorf MdL, Sprecher für Strukturpolitik der FDP-Landtagsfraktion NRW, diskutierten wir mit Staatssekretär Christoph Dammermann im Landtag von Nordrhein-Westfalen über aktuelle Herausforderungen der Strukturpolitik, die insbesondere die Ausgestaltung der nächsten EFRE-Förderperiode betreffen. Es berichteten seitens des MWIDE Herr Dr. Michael Henze und Frau Christel Caninenberg sowie als Referentin zur Innovationsstrategie Frau Dr. Silke Stahl-Rolf vom VDI Technologiezentrum GmbH .

Dem EFRE.NRW wird in den kommenden Jahren eine entscheidende Rolle zukommen. Nordrhein-Westfalen steht mit dem Ausstieg aus der Steinkohle- und Braunkohleförderung und dem damit verbundenen Strukturwandel vor einer enormen Herausforderung. Die Wirtschaft sieht sich in den nächsten Jahren mit massiven Transformationsprozessen konfrontiert. Bodo Middeldorf sieht die Hauptschwerpunkte der neuen EFRE-Periode daher in der Transformation des Energiesektors, im Bereich der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz sowie neuer Mobilitätsformen.


Der Maßstab bei der Verteilung der Gelder in NRW soll die Wirksamkeit sein. Dabei besteht die Überzeugung, dass Innovationsfähigkeit weiterhin der Treiber zukünftiger Entwicklungen sein wird; auch um soziale und ökologische Herausforderungen zu lösen. Für die angestrebte Klimaneutralität im Jahr 2050 muss bereits heute mit Maßnahmen begonnen werden. Parallele politische Strategien wie der Kohleausstieg und Ressort-Aktivitäten sollen integriert werden statt nebeneinander zu laufen.
Viele der vorgegebenen Prozess-Schritte bleiben im Vergleich zur laufenden Förderperiode erhalten, so dass die Neuerungen vor allem Konkretisierungen zur Umsetzung und angepasste Inhalte betreffen, die sich den drei EU-Zielen des intelligenten, grünen und bürgernäheren Europa unterordnen müssen.


Einige Dilemmata verbleiben. Z.B. das Problem der nationalen Kofinanzierung der EU-Gelder infolge der zukünftig wahrscheinlich schrumpfenden Einnahmen öffentlicher Haushalte. Mit Aufrufen, Wettbeweben und indikatorgestützer Evaluation hat man einen hohen Qualitätsstandard erreicht, den man halten möchte. Solche Qualitäten erhöhen jedoch auch den Anteil der bereits hohen Transaktionskosten von Förderungen.
Jan-Philipp Kramer erörterte die EFRE-Evaluation und bestätigte u.a. den grundsätzlichen Erfolg der zurückliegenden Leitmarktaufrufe. Im Kontext der EU-Strukturfonds stellte er zudem den derzeitigen EU-Diskussionsstand zu dem Just Transition Fund (Klimaschutz) und REACT-EU (Corona) dar. Beide zusammen werden den Umfang der verfügbaren Strukturfördermitteln in einigen Regionen Deutschlands beträchtlich erhöhen.

Die Diskussion der über 20 Teilnehemenden rankte sich zunächst um die Frage, inwieweit Transaktionskosten und Wirksamkeit z.B. über die Projektgröße gesteuert werden könnten. Angesichts zukünftig wahrscheinlich wieder klammer öffentlicher Kassen besteht zudem die Sorge der Verwendung der EU-Gelder als Lückenbüsser für fehlende Haushalsmittel. Die schon jetzt spürbare Rivalität zwischen Regionen um die Fördergelder wird durch die Bevorteilung kleinräumig begrenzter Fördergebiete möglicherweise steigen. Angesichts der multiplen Förderangebote für ähnliche thematische Herausforderungen könnte sich zukünftig noch stärker als bislang der Bedarf für eine bessere Steuerbarkeit „aus einer Hand“ ergeben.
Herzlichen Dank den Referierenden und dem Team um Bodo Middeldorf, welches den Austausch organisatorisch und mit Moderation zu einer runden Sache gemacht hat !
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