Die Transformation in Richtung einer dekarbonisierten Wirtschaft ist mittlerweile ein zentraler Bestandteil der regionalen Strukturpolitik. Anders als bisher geht es hierbei weniger um die Strategien zur Bewältigung regionaler Ungleichheiten, sondern um eine im Idealfall vorausschauende, proaktive Strukturpolitik.
Die gegenwärtigen Probleme einer klimagerechten Transformation (Umsetzungsschwierigkeiten, zu wenig Erfolgsbeispiele, sinkende Akzeptanz, allgemeine Wirtschaftssituation etc.) stellen damit auch die regionale Strukturpolitik vor neue Herausforderungen: Ihre Instrumente und Strategien müssen auf den Prüfstand.
Dies heißt nicht, alle bisherigen Ansätze über Bord zu werfen, sondern einen Lernprozess zu organisieren. Zu fragen ist: Was können wir realistisch erwarten? Welche Instrumente haben sich bewährt, welche lassen sich an die neuen Herausforderungen anpassen, bei welchen sind nachhaltige Zweifel angebracht?
Diese Fragen betreffen nicht nur die Instrumente traditioneller Strukturpolitik, sondern auch erste Erfahrungen mit neuen Instrumenten für die regionale Transformation. Hier setzte unser Workshop am 17. Januar 2025 an, in dem er die bisherigen Erfahrungen auf den Prüfstand stellte.

Als Vor-Ort-Programm besichtigten wir zunächst das in der Neugestaltung befindliche Gelände der Landesgartenschau 2026 (https://www.landesgartenschau-neuss.de). Teile der Aktivitäten werden aus Mitteln der Strukturförderung für das Rheinische Revier unterstützt. Die Geschäftsführerin der LAGA GmbH, Annette Nothnagel, verknüpfte dabei Informationen über das Programm und die Maßnahmen fachkundig mit dem historischen sowie dem aktuellen siedlungs- und wirtschaftsstrukturellen Kontext der Stadt Neuss. Mit dem benachbarten Rhein-Hafen symbolisiert die Stadt am äußersten Rand der Braunkohle-Strukturwandelregion einen regionalökonomischen „Eingang in das Rheinische Revier“. Dem entsprechend sind die weiteren Neusser Strukturwandelprojekte zu den Themen „Logistik“ und „Lebensmittel“ kein Zufall.
Bundesweite Untersuchung
Im Anschluss fanden sich 15 Teilnehmende im Dorint Hotel Neuss ein. Christian Hoßbach von der Hans-Böckler-Stiftung stellte die Ergebnisse einer Bestandsaufnahme von regionalen Transformationsstrategien vor (Download Präsentationsfolien). Sein Beitrag setzte sich intensiv mit den Herausforderungen und Potenzialen der Transformation in Wirtschaft und Arbeit auseinander. Die Untersuchung beleuchtete insbesondere die Rolle regionaler und überregionaler Strukturen sowie die Bedeutung von Tripartismus (Zusammenarbeit von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Staat).

Untersuchungsfokus
Bundesweit flächendeckend wurden die Regionsgeschäftsführungen des DGB befragt. Sie bewerteten die Transformationsprozesse in den Landkreisen. Die Analyse zielte darauf ab, den Problemdruck sowie die Effektivität bestehender Strukturen bei der Bewältigung ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Transformationsthemen zu untersuchen.
Drei zentrale Ressourcen zur Transformationsgestaltung
- Externe Ressourcen: Einfluss der Politik auf Bundes-, Landes- und EU-Ebene.
- Regionale Ressourcen: Rolle von reglulären Gremien, Institutionen und Projekten auf regionaler Ebene. Die Studie fasst die teilweise sehr unterschiedlichen vorgefundenen Organisationstrukturen unter dem Begriff „Transformationsrat“ zusammen.
- Sozialpartnerressourcen: Bedeutung von Tarifpolitik und Mitbestimmung.
Ein wesentliches Ergebnis der Befragung war die Feststellung, dass die Bündnisstrukturen in den meisten Regionen noch zu schwach ausgeprägt sind, um Transformation effektiv zu gestalten.
Kritische Diskussionen und Thesen
Stefan Gärtner betonte in seinem Kommentar, dass eine klare Trennung zwischen den sehr unterschiedlichen Themen wie Klimaschutz, Energieversorgung, Demografie und Mobilität notwendig ist, um zielgerichtet zu handeln. Dabei wurde die Forderung nach stärkerer Repräsentanz und Ressourcen für Regionen laut, um Transformation eigenständig zu gestalten.
Weitere Diskussionspunkte waren die Legitimation und die Wirksamkeit von Transformationsräten. Es wurde erörtert, wie solche Gremien Aktivitäten konkret umsetzen können und wie Strukturen ausreichend qualifiziert werden könnten, um den komplexen Anforderungen gerecht zu werden.
Regionale Perspektiven und Herausforderungen
Insbesondere das Rheinische Revier wurde als aktuelles Beispiel für eine Region mit sehr ausgeprägten Transformationsaktiviten näher betrachtet: Mit hohem Fördermittel-Einsatz (14,8 Mrd. Euro) sowie einer großen Zahl an beteiligten Institutionen bestehen außergewöhnlich gute Voraussetzungen für ein Gelingen des Strukturwandles. Bodo Middeldorf reflektierte in seinem Input die Erfahrungen im Rahmen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Zukunftsagentur Rheinisches Revier. Hier bestätigt sich, dass die Governance-Kompetenz vor Ort entscheidend für die effektive Nutzung der Mittel ist. Aufbauend auf den Herausforderungen des aktuellen Fördersytems stellte er einige inhaltliche und instrumentelle Alternativen bzw. zusätzliche Instrumente vor, die auf unterschiedlichen Ebenen für den Braunkohle-Strukturwandel zeitweise erörtert wurden.

Stefan Pfeifer kommentierte, dass „komplex“ eines der meistgenannten Vokabeln bei der Darstellung des Strukturwandels in den Braunkohlerevieren ist. Landes- und Bezirksregierung, Kommunen, die Zukunftsagentur Rheinisches Revier und die Gewerkschaften sind noch immer dabei, „Boden unter die Füße zu bekommen“. Hintergründe sind das EU-Recht, welches die Förderung von Unternehmen beschränkt, sowie die die subsidiäre Aufgabenteilung zwischen Land und Bund. Diese Komplexität trifft auf eine Region, die im Vergleich zum Ruhrgebiet kaum Erfahrungen in geförderten Strukturwandelprozessen aufweist.
Einige Teilnehmende betonten, dass die Zeit zum Aufbau der Strukturen zu Unrecht als zu lang empfunden wird. Strukturpolitische Aktivitäten mit niedrigerer Komplexität und Fördersummen wie die „Regionalen“ in NRW beinahlten ähnliche Vorlaufzeiten zum Hochlauf. Weitere Teilnehmende sahen anstelle der Förderung über Bund und Land die Notwendigkeit, Fördermittel direkter an die betroffenen Kommunen zu geben, um eine schnellere und bedarfsgerechtere Umsetzung zu ermöglichen. Gleichzeitig wurde auf Risiken wie „Kirchturmdenken“ und fehlende Standards/Erfahrungen der Kommunen beim zielgerichteten Einsatz hingewiesen.
Fazit und Ausblick
Der Workshop machte deutlich, dass Transformation eine klare Zielorientierung und besser koordinierte Strukturen erfordert. Der Fokus sollte stärker auf Qualifizierung und langfristige Beschäftigungssicherung liegen. Zudem müssen Beteiligungsstrukturen gestärkt und regional angepasst werden, um Transformation effektiv zu gestalten.
Die Teilnehmenden appellierten an Bund, Länder und Kommunen, gemeinsam an einer nachhaltigen und sozial gerechten Transformation zu arbeiten. Ein Gleichwertigkeitsbericht, der die Transformationsprozesse regelmäßig dokumentiert, könnte einen wichtigen Beitrag leisten, um Fortschritte sichtbar zu machen und Anpassungen vorzunehmen.
Die GfS bleibt am Ball: Anlässlich unserer Mitgliederversammlung am Folgetag flossen die Workshop-Erkenntnisse in die Themenfindung für unsere Formate im kommenden Jahr ein!
Ganz herzlichen Dank an die Referierenden und Kommentatoren für ihre Beiträge sowie die Bereitschaft zur ausgiebigen Diskussion!
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