Was für Lehren, Erkenntnisse und Diskussionsanstöße lassen sich aus den Erfahrungen mit dem Strukturwandel im Ruhgebiet für die sozialökologische Transformation ziehen? Diese Frage stand im Mittelpunkt des Workshops der Gesellschaft für Strukturpolitik am 27.06.24 im DGB-Haus in Düsseldorf. Ausgangspunkt bildete eine Präsentation von Dr. Jörg Weingarten vom DGB NRW (PDF-Download hier). Vorgestellt wurden Thesen, die auf einem internen Arbeitspapier des DGB zu der oben genannten Frage beruhen.
Deutlich wurde gleich zu Beginn der Diskussion, dass der Strukturwandel im Ruhrgebiet und die sozial-ökologische Transformation sehr unterschiedlich sind. Von daher geht es nicht in erster Linie darum, bisher Erprobtes besser zu machen, sondern neue Strategien und Instrumente zu entwickeln und umzusetzen. So ist auch zu fragen, wie aktuell der ohne Zweifel vorhandene Wissensspeicher bezogen auf strukturpolitische Erfahrungen im Ruhrgebiet noch ist.
Einen weiteren Diskussionsschwerpunkt bildete die Ambivalenz der Bilanz des Strukturwandels im Ruhrgebiet. Es wurden zahlreiche neue Instrumente erprobt, oft sind diese aber nicht dauerhaft in den Institutionen wirksam geblieben. Einzelne Regionen haben eine positive Entwicklung gestaltet, andere sind deutlich zurückgeblieben. Die positiven Wirkungen einer ausgeprägten sozialpartnerschaftlichen Tradition sind in NRW und im Ruhrgebiet auch heute noch erkennbar, diese drohen aber ins Leere zu greifen, wenn immer mehr Unternehmen ihren Standort gefährdet sehen und nicht mehr zu einer gestaltenden Perspektive bereit sind.
Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wurden diskutiert. Aufgestaute Probleme wie eine vernachlässigte Infrastruktur, ein enger finanzieller Rahmen vor allem auch auf der kommunalen Ebene wurden ebenso thematisiert wie die Brüchigkeit des gesellschaftlichen Konsenses über die Notwendigkeit einer sozialökologischen Transformation. Argumentiert wurde, dass diese Transformation eine aktive Rolle des Staates verlangt, wobei die Frage, was „aktiver Staat“ bedeutet, durchaus unterschiedliche beantwortet wurde. Weitgehend Einigkeit bestand in der Annahme, dass die Transformation nur gelingen kann, wenn sie aktiv von allen Beteiligten mitgestaltet wird.
Darüber hinaus wurde die zukünftige Rolle der Industrie diskutiert. Die Deindustrialisierung im Rahmen des Strukturwandels im Ruhrgebiet war als Notwendigkeit anerkannt, die positiven Folgen für Wohlstandsgewinn und Lebens- und Umweltqualität deutlich spürbar, doch ist die sozio-ökonomische Spaltung der Region heute besonders sichtbar Die ökologische Transformation sieht sich der Gefahr einer weiteren Deindustrialisierung vor allem bei den energieintensiven Industrien ausgesetzt, enthält aber auch Elemente einer Reindustrialisierung durch neue Industrien. Die Chancen neuer Industrien sollte sicher gerade auch durch die Gestaltung der Rahmenbedingungen genutzt werden, an der Sinnhaftigkeit der momentan massiven Subventionierung neu angesiedelter Unternehmen bestehen aber erhebliche Zweifel.
Nicht zuletzt stand die Rolle der Gewerkschaften zur Diskussion. Ohne sozialpolitische Kompensation wird die ökologische Transformation zu weiteren gesellschaftlichen Verwerfungen führen, wobei nach zahlreiche soziale Probleme – etwa die Bildungsungleichheit – dringend auf der Agenda stehen. Von daher werden sozial- und arbeitspolitische Herausforderungen für die Gewerkschaften weiterhin zentral bleiben, wobei daneben zunehmend eine treibende Rolle bei der betrieblichen und regionalen Gestaltung der Transformation an Bedeutung gewinnen wird.