Im Mittelpunkt unseres Stammtisch-Treffens im Café Museum Duisburg stand die Frage, was mit der Clusterpolitik erreicht werden sollte und was daraus geworden ist.
Wulf Noll, bis 2017 Abteilungsleiter „Wirtschaftspolitik“ im NRW Wirtschaftsministerium, blickte zurück und unterschied drei Phasen der Clusterpolitik in NRW. Bis 2010. In den 1990er Jahren finden sich die Wurzeln der Clusterpolitik in der Kritik der regionalisierten Strukturpolitik. Angesichts der weitgehend identischen regionalen Entwicklungskonzepte sollte stärkeres Gewicht auf die spezifische sektorale Profilbildung gelegt werden. Die ersten Projekte hatten experimentellen Charakter und erfolgten unterhalb der politischen Wahrnehmungsschwelle. Rückblickend sieht Wulf Noll zwei Schwachstellen der Clusterpolitik in diesen ersten Jahren, die auch in den folgenden Jahren prägend blieben. Erstens erfolgte die sektorale Orientierung eher an den traditionellen Branchen als an Wertschöpfungsketten. Zweitens wurde wesentlich mehr Wert auf Kooperation zwischen den Unternehmen als auf Wettbewerb gelegt.
Für die Zeit zwischen 2000 und 2005 sieht Noll die Clusterpolitik als Kompensation für den Wegfall der regionalisierten Strukturpolitik. Wesentlich wurde das Gutachten von Roland Berger als Ausgangspunkt für den Wachstums- und Beschäftigungspakt, auch im Rahmen der GRW wurde die Förderung von Clusterinitiativen dann ermöglicht. Die dem Wachstums- und Beschäftigungspakt zugrunde liegende Branchenstruktur sieht Noll rückblickend eher als reaktiv, nicht als strategisch ausgerichtet an.
In den Jahren zwischen 2005 und 2010 wurde Clusterpolitik dann zum Schlüsselkonzept der Strukturpolitik, wobei mit dem Konzept „Stärken stärken“ der Ausgleichsgedanke der Strukturpolitik in den Hintergrund gedrängt wurde. Kernelemente der Clusterpolitik in diesen Jahren waren die thematische Konzentration sowie die in diesen sektoralen Themenfeldern durchgeführten Förderwettbewerbe. Kritisch wird von Noll gesehen, dass mit der Ausrichtung auf landesweite Cluster eine Ausschließlichkeit erfolgte, die die regionalen Cluster in den Hintergrund der politischen Aufmerksam verdrängte.
Michael Henze, Leiter der Abteilung „Wirtschaftsförderung“ im Wirtschaftsministerium NRW, nah den Faden auf und machte deutlich, dass nach 2010 Clusterpolitik sukzessive als politisches Strategie verschwunden ist, und im neuen Koalitionsvertrag taucht „Cluster“ nicht mehr auf. Er bezweifelteauch, dass es jeweils eine Clusterpolitik gegeben hat, die diesen Namen verdient. Cluster, Kompetenzzentren oder Innovationsnetzwerke sind eine Vielzahl kaum zu unterscheidender und strategisch kaum fassbare Begriffe.
Weiterhin stellte Michael Henze die drei für ihn zentralen Dimensionen der Strukturpolitik dar. Hierbei handelt es sich um die räumliche Ebene, die von den späten 1980er Jahren bis Mitte der 1990er Jahre im Mittelpunkt stand, um eine Ausrichtung an Zielgruppen (IHK, Wirtschaftsförderer, KMU, Gründer) die in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre im Mittelpunkt stand, in jüngster Zeit auch wieder an Bedeutung gewonnen hat, und die sektorale Ausrichtung an Branchen, Technologien und Clustern, die für die 2000er Jahre im Mittelpunkt stand.
Hiervon ausgehend veranschaulichte er die These, dass Strukturpolitik sich immer schwerpunktmäßig auf einer dieser drei Dimensionen verankert, wobei immer die Gefahr besteht, dass sich die Akteure und Institutionen in diesen Dimensionen verfestigen. Von daher erscheint es sinnvoll, die Ausrichtung auf die jeweilige Dimension nach einer gewissen Zeit neu zu justieren bzw. zu wechseln.
Matthias Kiese, Professor für Humanwissenschaften am Geographischen Institut der RuhrUniversität Bochum, verwies darauf, dass Clusterpolitik auf unterschiedlichen Maßstabsebenen mit spezifischen Dynamiken, aber auch Interdependenzen stattfindet. Als nachhaltigen Haupteffekt kommunaler und regionaler Clusterpolitik (bzw. clusterorientierter Wirtschaftsförderung) sieht er die strategische Ausrichtung (Fokussierung) und Professionalisierung der Wirtschaftsförderung. Allerdings wurden aus Legitimations- und Mobilisierungsgründen unrealistische Ziele definiert, die nicht realisiert werden konnten und das Clusterkonzept in Politik und Verwaltung beschädigt haben.
Die diversen Strategiewechsel in der Clusterpolitik /(erst bottom-up-Erfolgsstories (Köln, Dortmund), dann Top-down-Policy-Diffusion (EU-Förderperiode 2007-2013), dann intelligente Spezialisierung), führten zu einer Inflation und Verwässerung der Clusterpolitik. Mittlerweile ist nicht mehr von Clustern die Rede, sondern die Ökosystem-Metapher ist für regionale Innovations- und Start-up-Systeme en vogue, eine Metapher, die mehr verschleiert als erklärt und falsche Analogien herstellt, nach Matthias Kiese eine gefährliche Entwicklung.
Letztlich, so sein Fazit, führen räumliche und zeitliche Inkongruenzen wie auch politische Koordinationsprobleme zu dem Schluss, dass Cluster und Politik nicht zusammenpassen.
Abschließend verwies Matthias Kiese auf neue Herausforderungen für Clusterpolitik durch die Missionsorientierung der Innovations- und Strukturpolitik, ein Aspekt, der dann auch im Mittelpunkt der Diskussion stand.